Am 25.07.2019 fand im Historischen Sitzungssal im Alten Rathaus der Festakt zum 700-jährigen Bestehen der
Heilig Geist Spital Stiftung statt.
Die Begrüßung und Festrede von Herrn Oberbürgermeister Christian Lösel:
Es gilt das gesprochene Wort.
Geschichtlicher Abriss
Religiöse Aspekte sowie wirtschaftliche und gesellschaftliche Umwälzungen lösten in Europa ab dem 11. Jahrhundert eine Welle von Spitalgründungen aus.
Ihren Höhepunkt fanden sie im 14. Jahrhundert im heutigen Bayern.Zunächst waren die Spitäler nicht als Krankenhäuser oder Altenheime gedacht.
Sie waren vielmehr Unterkünfte für Pilger, die durchwanderten, oder Auffangorte für Bedürftige, vielleicht auch für Vereinsamte.
Im Mittelalter wuchsen Zahl und Größe der Städte. Immer mehr Menschen lebten auf engem Raum zusammen. Damit wuchs die Gefahr von ansteckenden Krankheiten, vor denen man sich schützen wollte. Außerdem gab es immer mehr Menschen, die von Armut bedroht waren.
Die bäuerliche Gesellschaft konnte Schwächere mit „durchfüttern“. In der Stadt waren in Not Geratene ohne das Netz der Großfamilie entwurzelt und schutzlos.
Die erkannte auch der Landesherr Ludwig der Bayer (ab 1314 römischer König, ab 1328 Kaiser), der ein großer Förderer der Städte war.
Es spricht für seine Weisheit, dass er dieser Gefahr durch die Gründung eines Spitals begegnen wollte.
Heute vor genau 700 Jahren - am 25. Juli 1319, dem Festtag des Hl. Jakob - stellte er die Stiftungsurkunde zur Gründung eines Spitals aus, um „den dürftigen ... freylich undewlich ze haben und geniessen“
Das Spital sollte also den Hilfsbedürftigen in der Stadt eine gute Versorgung und menschliche Fürsorge angedeihen lassen.
Das „Gut Huntzperg", das heutige Spitalhof, stellte Ludwig den Bedürftigen als Grundausstattung zur Verfügung.
Es dauerte noch einige Jahre bis schließlich das Gebäude errichtet wurde (vermutlich zw. 1330 und 1350). Das Spital und die zugehörige kleine Kirche entstanden südlich der damaligen Stadtmauer, an der Schutter.
Neuere Zeit
Am 9. April 1945 wurde das Spital bei einem Bombenangriff völlig zerstört. 1950 wurde mit dem Wiederaufbau begonnen. Der Neubau wurde 1952 durch den Eichstätter Bischof Joseph Schröffer eingeweiht.
In den Nachkriegsjahren bot das Spital 220 alten Menschen Platz, die in 3- und 4-Bett-Zimmern wohnten.
In den folgenden Jahren änderten sich die Vorstellungen vom individuellen, angenehmen Wohnen entscheidend. Und so wurde in den 1970er Jahren der Neubau an der Fechtgasse errichtet. Am 30. Juni 1977 war das neue Heilig-Geist-Spital fertiggestellt.
Anfang der 1970er Jahre wurde eine Reihe von Seniorengemeinschaften gegründet und im Neuburger Kasten wurde die Altentagesstätte als deren zentraler Mittelpunkt eingerichtet.
Für ihr außerordentliches kommunales Engagement in der Altenbetreuung erhielt die Stadt Ingolstadt 1979 unter ihrem damaligen Oberbürgermeister Peter Schnell die Konrad-Adenauer- Medaille.
Die Einführung der Pflegeversicherung 1995 brachte einen grundlegenden Wandel. Es entstanden zahlreiche ambulante und teilstationäre Angebote wie Sozialstationen, Tages- und Nachtpflege, Kurzzeitpflege.
Die Rahmenbedingungen für die stationären Einrichtungen wie das Heilig-Geist-Spital wurden schwieriger.
Das HGS erweiterte daraufhin sein Leistungsspektrum.
Außerdem begann die Zusammenarbeit mit dem Altstadtzentrum Ingolstadt.
Diese Kooperation führte 2006 zur Gründung der Alten- und Pflegeheim Geschäftsführungs-Gesellschaft mbH, die die Geschicke beider Einrichtungen lenken sollte.
Schließlich entschied der Krankenhauszweckverband, das Altstadtzentrum durch einen Neubau am Klinikum zu ersetzen.
Sowohl der neue Pflegebereich der neuen Einrichtung am Klinikum als auch das Seniorenheim in der Fechtgasse sollten unter dem Dach der Stiftung Heilig-Geist-Spital geführt werden (Stadtratsbeschluss November 2010).
Damit wurde die Stiftung erstmals in ihrer fast 700-jährigen Geschichte Träger von zwei Pflegeeinrichtungen.
Im September 2013 zogen die Bewohner vom Altstadtzentrum in das Anna-Ponschab-Haus am Klinikum um.
Im Jahr 2018 erhielten beide Einrichtungen der Stiftung die Note 1,0 bei den Qualitätsprüfungen nach dem Pflegeversicherungsgesetz.
Gegenwärtige Situation
Über Jahrzehnte bestimmte eine Hochzinsphase die Ausrichtung der Heilig-Geist-Spital-Stiftung.
Das Grundstück „Fechtgasse“ gehört der Stadt Ingolstadt. Sie hat es der Stiftung im Erbbaurecht überlassen. Auch die Pflegeeinrichtung im Anna-Ponschab-Haus betreibt die Stiftung auf einem Erbbaurechts-Grundstück des Krankenhauszweckverbands.
Wertzuwächse konnten also nur mit den Stiftungs-Immobilien an der Spitalstraße und am Rathausplatz erzielt werden.
Das Gebäude an der Fechtgasse hat mittlerweile, nach gut 40 Jahren seit seiner Einweihung, erheblichen Instandhaltungs-Bedarf.
Es erfüllt außerdem nicht die aktuellen baulichen Anforderungen an eine moderne Pflegeeinrichtung. Und sein Zuschnitt lässt eine wirtschaftliche Betriebsführung nicht zu.
Gleichwohl bot die HGS-Stiftung in den vergangenen vier Jahrzehnten die günstigsten Pflegesätze der Stadt.
Das war der sozialpolitische Wille des Stadtrats. Man sah sich als soziale Stiftung, die aus Barmherzigkeit für Bewohner und deren Angehörige das Spital unterhielt; eine Leistung, die später nach deutschem Sozialrecht der Wohlfahrtspflege bzw. der Fürsorge zugeordnet war.
Die dadurch entstehenden Verluste mussten allerdings aus dem Vermögen der Stiftung gedeckt werden, das deshalb immer weiter schrumpfte. Es blieb auch kein Spielraum mehr für Rücklagen, etwa für Instandhaltungsmaßnahmen.
In jüngerer Zeit wurde die Situation durch den anhaltenden Pflegekräftemangel weiter verschärft.
Dazu ist das Heilig-Geist-Spital ist die einzige Einrichtung in Ingolstadt, die feste Kurzzeitpflegeplätze anbietet.
Eigentlich ist die Finanzierung solcher Kurzzeitpflegeplätze Aufgabe der Pflegekassen. Leider ist deren Finanzierung aber nicht auskömmlich. Die Stadt Ingolstadt fördert deshalb als einzige Kommune Kurzzeitpflegeplätze. Nicht nur im HGS.
Alle anderen 13 Ingolstädter Einrichtungen können diese Förderung ebenfalls beantragen. Allerdings hat es bisher keine Einrichtung getan - vermutlich weil die Bereitstellung von Kurzzeitpflegeplätzen trotz der städtischen Unterstützung defizitär ist.
Und dann besitzt die Stiftung mit dem Technischen Rathaus - ihrer zentralen Stiftungs-Immobilie - noch ein Objekt mit multiplen Problemen.
Wir haben seit 2015, nach Kenntnis der prekären Situation, als Stadt die Herausforderung angenommen und umgehend Maßnahmen eingeleitet. (Gründung AG, Schaffung einer Stelle, Jour Fixe Runden)
Die Einrichtungen selbst müssen sich aber natürlich ebenfalls darum bemühen, den Betrieb wirtschaftlich zu führen. Etwa im Bereich der Personalgewinnung oder der zeitgemäßen Weiterentwicklung attraktiver Pflegekonzepte.
Vergangenen Sommer (26.7.2018) hat der Stadtrat beschlossen, dass für eine zeitnahe Entlastung und Stabilisierung der Heilig-Geist- Spital-Stiftung bis November 2018 verbesserte Rahmenbedingungen zu schaffen seien. In diesem Zusammenhang wurde für die kommunale Stiftung auch eine neue Stiftungsstruktur beschlossen. Niedergelegt in einer komplett überarbeiteten Stiftungssatzung.
Satzungsänderung
Am 5. Dezember 2018 wurde die Neufassung der Satzung von der Stiftungsaufsicht (Regierung von Oberbayern) genehmigt.
Die neue Satzung regelt, dass es einen eigenständigen Stiftungsvorstand zur Leitung der Stiftung und einen externen Stiftungsrat zur Überwachung der Geschäftstätigkeit der Stiftung geben soll.
Die Leitung der Stiftung oblag bis dahin dem Oberbürgermeister, der diese Aufgabe auf den Rechtsreferenten als Stiftungsreferenten delegiert hat.
Ziel ist es nun, dass Stiftungsrat und -vorstand ein schlankes, schlagkräftiges Expertengremium bilden, um die Stiftung aus der Krise zu führen. Der Stiftungsrat setzt sich zusammen zur Hälfte aus erprobten Stadträtinnen und Stadträten. Zur anderen Hälfte - und das ist neu - aus Fachleuten der Immobilien-, Finanz-, Steuern-, Stiftungs- und Pflegebranche.
Außerdem sollen durch diese klare Trennung Interessenskonflikte zwischen Stadt und Stiftung vermieden werden.
Die Stiftung bleibt nach wie vor eine kommunale Stiftung, wird jedoch nicht mehr kommunal verwaltet. Ein solcher Wechsel ist nicht ungewöhnlich: Insgesamt haben Bürger- und Sozialstiftungen trotz aller historischen Fährnisse (Gefahren / Veränderungen) eine erstaunliche Widerstandskraft an den Tag gelegt. Sie überdauerten Jahrhunderte, während ihre Verwaltung mehrfach wechselte.
Im 19. Jahrhundert gingen Stiftungen dieser Art nicht selten in die Verwaltung der Kommunen über.
Auch bei der HGS kam es nun zu diesem Wechsel.
Das schließt unsere partnerschaftliche Zusammenarbeit aber natürlich nicht aus.
Und der Stadtrat ist nach wie vor die letzte Kontrollinstanz, die den Stiftungsrat entlastet und den Jahresabschluss verabschiedet.
Mit Inkrafttreten der neuen Satzung hat zunächst unser Rechtsreferent Dirk Müller als Interimsvorstand gewirkt. (5.12.18 bis 31.3.19). Seit dem 1. April haben wir mit Roland Wersch einen neuen Vorstand, der sich um die Geschicke der Stiftung kümmert und alles daran setzt, die Stiftung wieder in ruhigeres Fahrwasser zu leiten.
Herr Wersch wird Sie im Anschluss an die bisherigen und die geplanten Maßnahmen unterrichten.
Ausblick
Lassen Sie mich aber vorab noch eines betonen:
Wir, die Stadt, der Stadtrat und die Stadtgesellschaft stehen an der Seite der Heilig-Geist-Stiftung!
Wir wollen, zusammen mit dem Stiftungsrat alle notwenigen und zulässigen Maßnahmen ergreifen, um der Stiftung eine gute Zukunft zu ermöglichen!
Uns allen ist es ein Anliegen, dass Ingolstadt eine soziale Stadt bleibt, die alle Menschen mitnimmt. Unter den vielen sozialen Maßnahmen liegt mir unser Heilig-Geist-Spital besonders am Herzen.
Es ist mir deshalb persönlich ein wichtiges Anliegen, den Standort Fechtgasse auch in Zukunft als Heimat für ältere, rüstige Menschen in Ingolstadt beizubehalten.
Es ist dem Stadtrat weiter ein Anliegen, eine neue Einrichtung für pflegebedürftige Senioren an der Jahnstraße zu errichten.
Damit hätten wir in der Innenstadt zwei Einrichtungen, die auf die jeweils unterschiedlichen Bedürfnisse unserer Seniorinnen und Senioren ausgerichtet sind.
Die HGS-Stiftung ist dje traditionsreiche Stiftung in Ingolstadt.
Den Grundstock dazu hat Ludwig der Bayer gelegt. Er hat heute vor 700 Jahren die Stiftung gegründet.
Es ist damit die älteste Sozialeinrichtung in Ingolstadt und war eine frühe Form der Armuts- und Altersvorsorge.
Im Laufe der Jahrhunderte haben aber noch viele weitere Menschen wichtige Beiträge für die Stiftung und die Menschen, die im Heilig-Geist-Spital wohnen, geleistet.
Sie haben beispielsweiser der HGS-Stiftung ihr Vermögen vermacht oder sie arbeiten ganz praktisch als ehrenamtliche Helferinnen und Helfer in den Häusern der HGS-Stiftung.
Dazu haben wir in Ingolstadt weitere Stiftungen, deren Erträge vor allem älteren oder kranken Bürgerinnen und Bürgern in Ingolstadt zu Gute kommen sind.
- Stiftung van Schoor (unterstützt Bewohner der HGS-Stiftung) außerdem
- Elisabeth-Hensel-Stiftung
- Ingenium Stiftung
- 5 Stiftungen, die die Hospizarbeit unterstützen (Elisabeth und
Ludwig Bengl-Stiftung, Horst und Josefine Weise-Stiftung, Agnes und Christian Guilino-Stiftung, Maria- und Hans-Richter-Stiftung, Hildegard und Werner Günther-Stiftung).
Ihnen allen möchte ich an dieser Stelle herzlich danken!
Die Häuser der Heilig-Geist-Spital-Stiftung genießen nach wie vor einen ausgezeichneten Ruf.
Dies gilt es nicht nur angesichts der 700-jährigen Geschichte auch in Zukunft zu bewahren.
Zum Wohl der älteren, aber auch der jüngeren, Ingolstädter Bürgerinnen und Bürger!